Sammlungen

Steingeld

Von Leen Custers, Museumsführer

Diese Steine wurden auf der Insel Yap (Mikronesien) als Zahlungsmittel verwendet. Wie wurden diese beeindruckenden Objekte in der Praxis eingesetzt?

Pierre de Yap

In Kürze

Diese Federgeldrolle wurde lange Zeit auf dem Santa-Cruz-Archipel, eine Inselgruppe der Salomoninseln, benutzt. Federgeld wurde nicht nur für größere, sondern auch für rituelle Zahlungen verwendet. So diente es bei der Heirat als Brautpreis. Als Entschädigung für den Verlust ihrer Tochter erhielt die Familie der Braut mehrere Federgeldrollen. Das Wissen über die Anfertigung wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Diese Rolle besteht aus einer Ansammlung von roten Federn des Kardinalhonigfressers oder Myzomela cardinalis. An ihrer Herstellung waren mindestens drei Personen beteiligt. Der Vogelfänger fing die Vögel. Ein zweiter Spezialist war für das Aufkleben der Federn zuständig. Schließlich band ein Rollenbinder die Streifen zusammen, indem er sie mit Schnüren umwickelte. Für die Herstellung einer einzigen Rolle waren mindestens 50 000 Federn erforderlich, d. h. 400 bis 600 Vögel und 700 Arbeitsstunden. Ein Dokumentarfilm, der diese Herstellungstechniken veranschaulicht, ist im Museum zu sehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Federgeld durch Münzen und Geldscheine ersetzt. Bis in die 1990er Jahre waren die Federrollen neben Münzen und Scheinen bei Zeremonien noch gebräuchlich.

So seltsam es klingen mag, der Stein im Museum ist auf der Insel Yap, irgendwo in Mikronesien mitten im Pazifischen Ozean, immer noch ein vollwertiges Zahlungsmittel. Touristen, die die Insel besuchen, wundern sich immer wieder darüber, dass die Inselbewohner ihr „Geld“ auf der Straße liegen lassen. Zumal es sich nicht um Kleingeld handelt! Die größten Exemplare haben einen Durchmesser von 4 Metern und können bis zu 6 Tonnen wiegen. Doch woher stammt diese besondere Währung?

Vor vielen Jahrhunderten reisten die Bewohner von Yap auf die 400 km entfernte Nachbarinsel Palau ... wo sie ein ganz besonderes Gestein entdeckten: Aragonit. Der Stein war auf der Insel Yap unbekannt und man begann, große Mengen aus den Höhlen von Palau abzubauen. Sie behauten sie zu Scheiben mit Löchern in der Mitte, durch die ein Stock geführt wurde; dadurch konnten sie nach dem Prinzip des Rades bewegt werden. Anschließend mussten sie auf Bambusflößen, die von einem Kanu gezogen wurden, zur Insel Yap zurückgebracht werden. Im Laufe der Zeit machten die Einwohnern von Yap daraus ein Zahlungsmittel und die Steine erhielten den Namen Rai.

Die Bootsfahrt zwischen Palau und Yap war früher beschwerlich. Viele verloren ihr Leben oder kehrten geschwächt zurück. In Anbetracht der mit dieser Fahrt verbundenen Risiken und der Zahl der Opfer nahm der Wert dieser Steine beständig zu. Wegen der Gefahr des Transports mit dem Boot und der Knappheit des Materials (Aragonit) waren diese Steine für die Bewohner von Yap zu einem wertvollen Handelsgut geworden.

Pierre de Yap
Der Stein von Yap, der im BNB-Museum aufbewahrt wird © Musée de la Banque nationale de Belgique
Pierres de yap dans un bateau
Transport von Steinen aus Yap © Museum der Belgischen Nationalbank

Aber wie ließ sich der Wert eines Steins konkret bestimmen?

Neben der besonderen Schönheit des Gesteins und der Geschichte des Steins selbst (sein Alter, die Zahl der Opfer bei seiner Gewinnung und seinem Transport) spielt auch seine Größe eine Rolle bei der Bestimmung seines Wertes, ebenso wie der soziale Status der an der Transaktion beteiligten Parteien. So waren Steine, die durch die Hände eines Häuptlings gegangen waren, wertvoller als solche, die ein normaler Mensch besaß.

Nach 1931 wurden keine Steine mehr angefertigt. Da sie aufgrund ihrer Masse und ihres Gewichts sehr unpraktisch waren, wurden sie ab Anfang des 20. Jahrhunderts allmählich durch den US-Dollar ersetzt, zumindest bei täglichen Transaktionen von geringem Wert. Größere Anschaffungen (ein Haus, ein Grundstück) werden noch gelegentlich mit Aragonitsteinen getätigt. Darüber hinaus werden sie zur Begleichung von Schadensersatzansprüchen verwendet.

 

Ebenso bemerkenswert ist die Art und Weise, wie Transaktionen auf Yap in der Vergangenheit (und auch heute noch bei größeren Anschaffungen) abgewickelt wurden. Denn die Steine, die den Besitzer wechselten, bewegten sich normalerweise nicht von der Stelle! Sie blieben einfach dort, wo sie ursprünglich aufgestellt worden waren: an einer Straße, vor einem Haus oder einem anderen Gebäude.

Diebstähle sind selten, denn die Inselbewohner haben die Gewohnheit, eine gegenseitige soziale Kontrolle auszuüben. Die meisten Menschen in Yap kennen die Besitzer der Steine und haben großen Respekt vor dem Eigentum anderer. Und außerdem: Wie lässt sich ein 6 Tonnen schwerer Stein inkognito stehlen?

Pierre de Yap dans un village
Ein Stein von Yap in einem Dorf © Museum der Belgischen Nationalbank

Bibliografie

  • CORA Lee C., "Stone Money of Yap: A Numismatic Survey." in Smithsonian Studies in History and Technology, pp. 1–75, 1975.
  • LAUTZ, T., Steinreich in der Südsee. Traditionelle Zahlungsmittel in Mikronesien, Cologne, 1999.
  • Lautz, T., “The world’s most curious money? Huge stone discs used on the Micronesian island of Yap : a summary of field studies” in Money and Identity. Lectures about History, Design and Museology of Money [Proceedings of the 11th Meeting of the International Committee of Money and Banking Museums (ICOMON), Seoul, 2004], Hannover, Reiner Cunz, 2007, pp.105-127.