Sammlungen

Das belgische Gold in den Händen von Ausländern

Von Leen Bultinck, Museumführer

Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, vertraut Belgien seine Goldreserven Frankreich an. Die deutschen Truppen schreiten jedoch rasch voran und das belgische Gold gerät in Schwierigk

Maquette d'un bateau

In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre nahm die Kriegsgefahr beständig zu. Belgien spürte, dass es höchste Zeit war, seine Goldreserven und andere Wertsachen auszulagern. Ein Modell im Museum zeigt das Schiff A4, das im Mai 1940 die Wertbestände einzelner Zweigstellen der BNB nach England transportierte. Die belgischen Goldreserven wurden ebenfalls ins Ausland in Sicherheit gebracht. Der Goldtransport war schwieriger als gedacht, und das belgische Gold durchlebte eine wahre Odyssee.

Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs besaß Belgien rund 600 Tonnen Gold, von denen 200 Tonnen nach England und weitere 200 Tonnen in die Vereinigten Staaten und nach Kanada verbracht wurden. Die restlichen 200 Tonnen blieben in Belgien, um die gesetzliche Umtauschpflicht der Banknoten zu gewährleisten. Ende 1939/Anfang 1940 nahmen die internationalen Spannungen zu und der damalige Finanzminister Camille Gutt beschloss, das letzte Drittel der belgischen Goldreserven der Banque de France anzuvertrauen.

198 Tonnen wurden auf 4.944 Kisten verteilt und vom Hafen Ostende nach Bordeaux und Libourne verschifft, wo das Gold in den Kellergewölben der Banque de France aufbewahrt werden sollte. Bei der deutschen Invasion am 10. Mai 1940 befand sich nur noch eine geringe Menge Gold in den Tresoren der Belgischen Nationalbank.

Carte montrant le trajet de l'or belge
Die Odyssee des belgischen Goldes © Musée de la Banque nationale de Belgique
Maquette d'un bateau
Maßstabsgetreues Modell des Schiffs A4 © Philippe de Formanoir
Homme sur un bateau
Detail des Modells © Museum der Belgischen Nationalbank

Die deutschen Truppen kamen auf französischem Gebiet jedoch schneller voran als gedacht. Anfang Juni 1940 informierte die Banque de France die französische Admiralität über das Vorhandensein des belgischen Golds, das so schnell wie möglich über den Atlantik verschifft werden sollte. Die Marine transportierte das Gold zum nächstgelegenen Kriegshafen Lorient, wo die Kisten auf den Hilfskreuzer Victor–Schoelcher verladen wurden. Das Schiff hätte das Gold ursprünglich in die Vereinigten Staaten bringen sollen, erreichte aber nie sein Ziel. Am 28. Juni 1940 legte das Schiff in Dakar in den französischen Kolonien an. Das Gold wurde 65 km weiter zur Militärbasis Thiès transportiert. Dieses Gebiet lag jedoch nicht sehr weit vom Meer entfernt und so war die Furcht vor einer Invasionen sehr groß. Aus diesem Grund fassten die französischen Kolonialbehörden den Entschluss, das Gold weiter ins Landesinnere zu bringen. Sie transportierten es daher nach Kayès, mitten in der Wüste Sahara, 500 km von Dakar entfernt.

Der Belgischen Nationalbank war es jedoch nicht recht, dass Frankreich gegen ihren Willen das belgische Gold nach Kayès und nicht (wie gewünscht) in die Vereinigten Staaten gebracht hatte. Hubert Ansiaux, der die Geschäfte der Nationalbank von London aus führte, setzte die französische Zentralbank in Verzug. Dies zeigte jedoch nicht sofort Wirkung. Im Gegenteil, Frankreich und Deutschland gelang es Ende 1940, eine Einigung bei den Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu erzielen. Frankreich übergab der deutschen Reichsbank das belgische Gold als „Sühneopfer“. Unter dem Druck des französischen Premierministers Pierre Laval, der sich eine deutsche Gegenleistung (die Freilassung der französischen Kriegsgefangenen) erhoffte, stimmte die Banque de France widerwillig dem Goldtransfer zu.

Das Gold wurde von Zentralafrika nach Algerien und von dort aus nach Marseille verbracht. Die Reichsbank transportierte anschließend das Gold mit dem Zug nach Berlin, wo sie es in ihren Kellergewölben lagerte. Der Goldtransport verlief nicht reibungslos und konnte erst im Mai 1942 vollendet werden. Es ist klar, dass die Franzosen nur halbherzig mitarbeiteten. Nachdem das Gold in den Kellergewölben der Reichsbank gelagert worden war, wurde es vom Beauftragten des deutschen Vierjahresplans, Hermann Göring, beschlagnahmt. Sämtliche Goldbarren wurden anschließend in der Preußischen Staatsmünze eingeschmolzen. Um jeglichen Verdacht über die Herkunft des Goldes zu zerstreuen, stempelten die Nazis es mit den Jahreszahlen 1936 und 1937.

Unterdessen gab Belgien die Hoffnung nicht auf: Der Regent Georges Theunis strengte am 5. Februar 1941 in New York einen Prozess gegen die Banque de France an und verlangte einen Teil des französischen Goldes. Es war der Anfang eines lange währenden Prozesses, bei dem im April 1943 schließlich die Schlussplädoyers gehalten wurden. Das Gericht vertagte jedoch die Urteilsverkündung, da Frankreich durch den Krieg keine Zeugen in den Zeugestand rufen oder Unterlagen vorlegen konnte. Schließlich wurde im Oktober 1944 eine Einigung erzielt, und die Banque de France erklärte sich bereit, die Belgische Nationalbank vollständig zu entschädigen. Das Verfahren wurde daraufhin eingestellt.

Im April 1945 machten die amerikanischen Truppen in einer Salzmine in der Nähe der kleinstadt Merkers in Thüringen einen unglaublichen wertvollen Fund: Kunstwerke, die von den Nazis geplündert worden waren, aber auch eine Goldreserve, die einen Teil des der Nationalbank gestohlenen Goldes enthielt. Darüber hinaus wurden auch die Verwaltungsdokumente des Reichsbankgolds wiedergefunden. Anhand dieser Papiere ließ sich der Weg des entwendeten belgischen Goldes genau nachvollziehen. Die Nazis hatten das Gold vor allem gegen harte Währungen eingetauscht. So konnten sie sich Rohstoffe aus Spanien, Portugal und Schweden sowie Anlagen für ihre Rüstungsindustrie beschaffen. Das Gold, das die Alliierten in Deutschland fanden, wurde in einen gemeinsamen Fonds geschüttet, aus dem die Tripartite commision for the Restitition of Monetary Gold die Forderungen der bestohlenen Länder erfüllte. Auf Druck der Alliierten leisteten auch neutrale Länder wie die Schweiz einen Beitrag zum Fonds. Auch die Belgische Nationalbank stellte im Namen der französischen Zentralbank einen Rückgabeantrag. Schließlich erhielt die Banque de France rund 130 Tonnen Gold und machte so noch einen Teil ihrer finanziellen Verluste wett.

Lingots d'or
Goldbarren © Musée de la Banque nationale de Belgique

Bibliografie

  • Buyst E. & Maes I. (e.a.), La Banque nationale de Belgique, du franc belge à l’euro, Bruxelles, Racine, 2005, 141-148.